Eine essayistische Kurzantwort eines Philosophen
Kinder sind eine Quelle von Freude und von Sorgen. Und selbstverständlich kann man im Voraus nicht wissen, was überwiegen wird, aber man hofft wahrscheinlich doch, dass es die Freude sein wird.
Diese Betrachtung bezieht sich vor allem auf Kindheit und Jugend, in denen Eltern und Familie eine grössere Bedeutung haben. Aber tragen wir auch darüber hinaus Verantwortung dafür, dass wir unsere Kinder in diese Welt gesetzt haben? Bis zu einem gewissen Grad also eine Verantwortung für die Lebensqualität der Kinder?
Lebewesen tendieren dazu, sich fortzupflanzen und zu vermehren. Diese Tatsache ist also natürlich, und auch wir sind Lebewesen, Tiere nämlich.
Als Menschen haben wir jedoch Bewusstsein, ein vernunftgestütztes Urteilsvermögen und eine darauf bauende Entscheidungsfähigkeit. Und daraus resultierend tragen wir Verantwortung: Wir vermehren uns nicht, sondern bekommen Kinder.
Das heisst, gerade das Kinderbekommen ist eine folgenreiche Entscheidung von grosser Tragweite, bei der neben vielen persönlichen Faktoren auch die Verantwortung für das Leben der Kinder auch im späteren Alter eine Rolle spielt. Die Frage, ob wir Kinder bekommen, gehört zusammen mit den reproduktionsmedizinischen Fragen ins Feld der menschlichen Natalität (Hannah Arendt).
Tragen wir eine Verantwortung, keine Kinder zu bekommen?
Allerdings taucht am Horizont der Überlegungen noch eine weitere auf: Lässt sich berechtigterweise die Frage stellen, ob wir auch eine Verantwortung dafür tragen, kein Kind zu bekommen?
Schliesslich sind die Sozialsysteme unserer Gesellschaften und die gesamte Ökonomie auf Nachwuchs angewiesen. Liesse sich also argumentieren, kein Kind zu bekommen, obwohl man es könnte, sei unethisch?
Die Natürlichkeit, sich fortzupflanzen, ist ja kein ethisches Argument, Kinder zu bekommen oder nicht ist aber eine ethisch relevante Entscheidung. Sie ist ein Ausdruck der menschlichen Wahlfreiheit. Könnte der Staat nicht trotzdem argumentieren, es sei schlecht, keine Kinder zu bekommen – wie es zurzeit offenbar in China der Fall ist?
Ja, er kann das natürlich, aber er moralisiert dann. Er betrachtet den Einzelnen nicht mehr als frei in seiner in seiner Entscheidung, sondern als einer bestimmten Gemeinschaft verpflichtet, zu deren Wohl er beitragen soll. Das mag ein edles Ziel mit ethischem Wert sein, aber nur unter der Bedingung weitgehender Freiwilligkeit.
Inwiefern ist es sinnvoll, in die heutige Welt Kinder zu setzen?
Wenn also Kinderbekommen eine folgenreiche Entscheidung ist, die nur Einzelne bzw. Paare tragen können mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen, dann stellt sich die Titelfrage zumindest in abgewandelter Form immer noch: Inwiefern ist es sinnvoll, in die heutige Welt Kinder zu setzen?
Frei dazu, es zu tun oder nicht, sind wir also. Aber wenn wir es tun, tragen wir Verantwortung. Niemand wird schliesslich gefragt, ob er auf die Welt kommen will. In der Ethik gibt es in Bezug auf das Kind das Open-Future-Argument. D. h., dem Kind sollten alle wesentlichen zukünftigen Optionen offen stehen.
Um uns über diese Verantwortung klar zu werden, sind wir auf unsere Vorstellungskraft angewiesen. Können wir uns vorstellen, wie die Welt unseres Kindes im Jahr 2040 (15-jährig), 2050 (25-jährig) oder gar 2060 (35-jährig) aussehen wird, wie es sein wird, in ihr zu leben, welche Lebensqualität man bzw. unser Kind haben wird?
Schon mit diesem Gedankenspiel sind wir wohl überfordert, und es wird deutlich, dass unsere Verantwortung für die Lebensqualität unserer Kinder von Jahr zu Jahr abnimmt.
Die Lebensqualität fördern
Aber wir wissen, dass die zukünftige Welt eine zunehmend andere sein wird, schon durch berechenbare Faktoren wie den Klimawandel, damit verbunden Felsstürze, Gletscherschmelze und Artenverlust.
Wir haben Teil gehabt an diesem sich beschleunigenden Prozess und haben immer noch Teil daran. Zumindest darin können wir die zukünftige Lebensqualität von Kindern fördern, dass wir einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit den Naturressourcen anstreben, egal, ob mit oder ohne Kinder. Denn der Mensch ist schliesslich ein Wesen, dass wählen und Nein sagen kann.
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Stand: Juni 2025.