Fragen an einen Philosophen
 
Kurzer Essay & Buchempfehlung

Inwiefern ist die Tierhaltung in Zoos sinnvoll?

Eine essayistische Kurzantwort eines Philosophen.

 

In Kürze

  • Zoos entstanden aus kolonialem Stolz und exotischer Faszination.
  • Früher stand das Publikum im Fokus, oft zulasten des Tierwohls.
  • Moderne Zoos setzen auf Artenschutz und verbessertes Tierwohl.
  • Die Herausforderung bleibt, Zoos ethisch und nachhaltig zu gestalten.


Die Sensibilität Tieren, ja sogar die anderen Menschen gegenüber, war lange nicht selbstverständlich. Im 19. Jahrhundert begann sich das langsam zu ändern, doch selbst dafür waren Anregungen aus dem Osten (die buddhistische Philosophie, die auch Schopenhauer faszinierte) oder vom Utilitaristen John Stuart Mill nicht unwichtig. 


Aber auf Zoos war man weithin stolz. Sie waren, inspiriert vom Kolonialismus und der Begeisterung für das Exotische, eine Exposition dessen, was es in den fernen Ländern zu bewundern gab, so wie die Kolonialmuseen die entsprechenden Gegenstände ausstellten und sich der westliche Geschmack an Kolonialwaren gewöhnte (Tee, Kaffee, Schokolade etc.). 

Dazu passte, dass man tatsächlich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in solchen Zoos auch Menschenschauen veranstaltete, wo Menschen aus fernen Ländern – den exotischen Bedürfnissen der sie bewundernden hiesigen Einheimischen entsprechend – ausgestellt wurden.

Alter Zirkus mit Menschen und Tieren


Zoos haben keine rühmliche Vergangenheit

Zoos haben also in vielerlei Hinsicht keine rühmliche Vergangenheit, aber wie steht es mit ihnen heute? – Sie dienen sicher nicht mehr überall der Zurschaustellung von Exotischem, aber in Bern wurde z. B. der Bärengraben, bei dem es darum ging „exotische Tiere (…) auszustellen, um das Prestige und die Macht der (…) Gemeinde zu demonstrieren“ erst 2009 zum heutigen Bärenpark erweitert. 

Affenklaue an einem Zoogitter


Das Wohlbefinden der Tiere in Zoos ist zwar immer schon wichtig gewesen, denn das Tier sollte ja möglichst lang leben, aber wichtiger noch war das des Publikums. Und da schaute man lieber nicht so genau und ganzheitlich auf die Bedürfnisse der Tiere, verglichen mit ihrem Verhalten in freier Wildbahn. Man neigte und neigt also dazu, sie wie Haustiere zu halten. Wichtig war die Faszination des zahlenden, bewundernden Publikums.


Neue Ideen, neue Konzepte

Aber inzwischen hat man eine neue Generation von Zoodirektor*innen und Tierpfleger*innen mit neuen Ideen und Vorstellungen für die Praxis, die sehr viel mehr am Tierwohl orientiert sind und schon länger ein neues Konzept verfolgen, nämlich die Erhaltung von in freier Wildbahn bedrohten Tierarten in Zoos. Das sieht aus wie eine ganzhaltige und nachhaltige Rechtfertigung für die Haltung von Tieren in Zoos. Dazu kommt, dass in unserer technisierten Welt Zoos eine wunderbare Möglichkeit seien, Menschen überhaupt mit Tieren, ihren Bedürfnissen und so mit der Welt um uns vertraut zu machen.

Erdmännchen, das im Fokus auf den Hinterbeinen steht


Ich halte Sie als Leser*in für urteilsfähig genug, um diese Vorstellungen, Ideen und Konzepte zu beurteilen. Wichtig erscheint mir ein weiterer Bestandteil unserer Kultur, der diese vertrackte Fragestellung erst hervorbringt, der aber tabuisiert wird: die Theater-Metapher.


Die Welt als Theater

Sobald wir die Welt als Theater verstehen, teilen wir sie in Publikum (wir) und die anderen, die für uns ein Schauspiel aufführen. Wenn wir diese Metapher auf die Tierwelt anwenden, merken wir oft nicht einmal, dass wir es tun. Jahrhundertelang hat der Mensch geleugnet, ein Tier zu sein, und tut er es nicht immer noch? – Warum dann werden in Zoos nicht auch Menschen gehalten und die Tiere schauen uns an? Vielleicht sind in Zoos ja tatsächlich die Menschen die Unterhaltung für viele Tiere, z. B. wurden während der Corona-Pandemie mit ihren Verboten auch die Primaten depressiv aus Mangel an Unterhaltung durch Zuschauer.

Rote Pandas, die übereinander liegen


Zurück zur freien Natur?

Eine Wiederaussiedlung in die freie Wildbahn wird so bei Arten, die an Publikum gewöhnt sind, kaum gelingen. Und wir modernen Menschen sind in Zoos doch noch meist Zuschauer im grossen Welttheater und wollen Unterhaltung, Spezialeffekte, gern auch Exotisches. Wir sehen uns vielleicht auch als „Herrchen“ und „Frauchen“ und geniessen unsere fürsorgliche Beziehung zu den Tieren. Oder wir freuen uns, dass unsere Kinder eine Zeit lang etwas Niedliches zum Streicheln haben.

Katze an einer Leine


Was wollen wir?

Wollen wir solche Zoos oder publikums- und tiergemässe Zoos, die uns immer wieder neu mit ihren Lösungen dieser Herausforderung überraschen und eine ethisch angemessene Haltung zu den Tieren zeigen?

Tiger, der hinter Stäben liegt

 


  • Peter Janich: Der Mensch und andere Tiere. Das zweideutige Erbe Darwins, Berlin 2010.


Möchtest du das Thema in einer philosophischen Beratung vertiefen, dann bist du hier richtig. Im Gespräch mit anderen geht das auch einmal im Monat online in philosophischen Gesprächsgruppen .

Willst du keine der neuen Fragen verpassen? Dann abonniere hier den Newsletter.


Stand: April 2025.